Die Anfänge
Als Emil Bock 1945 auf das von Verbot und Zerstörung gezeichnete Stuttgart blickte – das Zweighaus in der Landhausstraße verloren, alle Häuser, in denen der Kultus der Christengemeinschaft gehalten worden war, zerstört – gelangte er zu einer erschütternden Erkenntnis: „Es ist die michaelische Schicksalsabsicht unverkennbar: Alles soll ganz neu aus den Anfängen heraus entwickelt werden.“
Doch was Anlass zu äußerster Verzweiflung hätte sein können, erinnerte ihn an Worte, die Rudolf Steiner 1923 einer von dunklen Ahnungen bedrängten Mitarbeiterin geschrieben hatte und wurde zu einem tragenden Impuls:
„So mögen Blitze unsre Sinneshäuser
In Schutt zerschmettern;
Wir errichten Seelenhäuser
Aus der Erkenntnis
Eisenfestem Lichtesweben.
Und Untergang des Äußern
Soll werden Aufgang
Des Seelen-Innersten."
Im Verbund mit Freunden ging er an den Wiederaufbau des Verlorenen. 1948 wurde die aussichtslos erscheinende Idee eines „Hauses für die anthroposophische Arbeit“ gefasst. Ein mit Herbert Hahn und Margarita Woloschin unterzeichneter Finanzierungsaufruf erklärte: „Es handelt sich um einen Stuttgarter Bau und um einen nicht nur Stuttgarter Bau“. Denn die von Rudolf Steiner eingeleiteten kulturellen Erneuerungsbewegungen auf pädagogischem, sozialwissenschaftlich-praktischem, religiösem und künstlerischem Gebiet wiesen über den lokalen Horizont hinaus.
Die Nutzung provisorisch verfügbarer Räume konnten die auszehrende Obdachlosigkeit nicht kaschieren. Es galt im Hinblick auf die kommenden Jahrzehnte Kräfte aufzubauen und zu sammeln.
Die Entschädigungsleistung für das enteignete Zweighaus in der Landhausstraße bildete einen finanziellen Grundstock. Durch die Spende von durchschnittlich einem Monatseinkommen seitens der Stuttgarter Mitglieder und des Baugroschens der deutschen Landesgesellschaft trugen schließlich alle Mitglieder in Deutschland zu dem Bau bei.
Im Juli 1956 wurde die Grundsteinlegung, im Oktober das Richtfest und im Juni 1957 die Einweihung der nun „Rudolf Steiner Haus“ genannten neuen Heimat gefeiert.
Ein Rundbrief Fritz Göttes betonte: „Dieses Werk ist nicht – wie so oft heute in der Welt – durch die Stiftung eines Großen oder eines mächtigen Industrieunternehmens entstanden, sondern es wurde aus der Liebe und Opferwilligkeit zahlreicher Menschen, welche Rudolf Steiner und die Anthroposophie in ihrer Bedeutung erkannt haben, errichtet, meist wenig bemittelter Menschen, die dennoch gaben!“
Bei der Einweihung wandten sich Emil Bock und zahlreiche Redner der Vorkriegsgeschichte der Anthroposophischen Gesellschaft zu und sprachen von der Aufgabe, eine unbeglichene Schuld abzutragen. Damit wiesen sie auf Zerwürfnisse und Unterlassungen der Vorkriegszeit hin, die durch ein erweitertes Aufgabenbewusstsein, den Abbau hierarchischer Strukturen, partnerschaftliche Formen der Zusammenarbeit und eine verstärkte Erarbeitung geistig-spiritueller Inhalte überwunden werden sollten.
Hartwig Schiller
Heute
ist das Rudolf Steiner Haus Stuttgart ein überregionales Zentrum für anthroposophische Kulturarbeit. Hier können Sie eine Vielzahl von Veranstaltungen wie Kongresse, Tagungen, Seminare, Kurse, Fortbildungen, Arbeitsgruppen (Zweige) sowie künstlerische Darbietungen mit anthroposophischen Schwerpunkten besuchen. Sie können auch Räume für Ihre Veranstaltungen oder Konferenzen buchen: info(at)rudolfsteinerhaus.org Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Außerdem befindet sich im Rudolf Steiner Haus Stuttgart die größte anthroposophische Bibliothek Deutschlands. Das Haus ist Verwaltungssitz der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland (AGiD) sowie deren regionalen Gruppen Arbeitszentrums Stuttgart (AZS) und der Anthroposophischen Gesellschaft in Stuttgart (AGS). Weitere Einrichtungen wie die Galerie im Rudolf Steiner Haus und die Redaktion der Zeitschrift DieDrei nutzen ebenfalls das Gebäude.